Was hat die Revolution der Datenschutzgesetzgebung für Wurzeln, was für Auswirkungen? Welches Urheberrecht gilt im digitalen Raum? Der Versuch einer Annäherung ist hier zu lesen.
Positionspapier
Im Moment geht die Tendenz wieder in Richtung des digitalen Unterrichts, wenngleich zum Glück
das zusammen Musizieren vor Ort noch nicht gänzlich unmöglich geworden ist. Die digitalen
Möglichkeiten haben bereits großes geleistet; unter Musikern und Forschern besteht hingegen
weitgehend Konsens, dass Apps und Tools ein Live Musizieren nicht ersetzen können.
Bei jedem digitalen Werkzeug sollte man sich dementsprechend fragen, ob es überhaupt etwas
vorher schon vorhandenes verbessert. Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein; dennoch liegen im
„blended learning“ viele Chancen die besonders in der Krise von Bedeutung sind.
Da unsere Musikschule dezentral in einem Flächenlandkreis organisiert ist, kann das Internet sicher
für die Zusammenarbeit hilfreich sein. Stefan Muhle, Staatssekretär im Niedersächsischen
Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung spricht von einer Schlüsselrolle der
digitalen Infrastruktur im Flächenland Niedersachsen.
Die öffentlichen Musikschulen in Deutschland repräsentieren einen Teil der kulturellen Werte
unserer Gesellschaft. Unser Bildungsauftrag erlaubt, frei von privatwirtschaftlichen Interessen die
Kreativität, Persönlichkeit, Ausdauer, Konzentration soziale Kompetenz unserer SchülerInnen zu
Entwickeln und zu fördern. Diese Leitlinie sollte sich auch in einem Datenschutzkonzept
niederschlagen, welches unsere eigene Darstellung als berechtigtes Interesse nicht außer acht lässt.
Unsere heutige globalisierte Informations- und Wissensgesellschaft ist ohne einen kontinuierlichen
Datenaustausch kaum vorstellbar. Allerdings kommt es dabei immer wieder zu Pannen und
Mißbrauch. Es passiert, dass Patientendaten versehentlich veröffentlicht, oder Kontodaten
systematisch geklaut werden. Aus diesem Grund wird das Thema Datenschutz mehr denn je
diskutiert. Aber was bedeutet Datenschutz eigentlich? Der Begriff „Datenschutz“ kann leicht
mißverstanden werden. Denn es geht nicht direkt um den Schutz von Daten vor Verlust oder
Diebstahl. Dieses eher technische Themenfeld nennt sich Datensicherheit. Datenschutz bezieht sich
vielmehr auf den Schutz der Menschen, deren Daten erhoben und verwendet werden. Dabei wird
von dem Grundsatz ausgegangen, daß jeder Mensch selbst bestimmen sollte, wem er welche seiner
Daten bekannt gibt. Zu den schutzbedürftigen Daten gehören einerseits persönliche Angaben wie
Name, Anschrift oder Familienstand; sowie andererseits sachliche Angaben wie Autokennzeichen
oder Eigentumsverhältnisse. Die zentrale Aufgabe des Datenschutzes ist es, sicherzustellen, daß der
Umgang mit solchen Daten niemanden schädigt oder unnötig einschränkt. Mit der Einführung der
elektronischen Datenverarbeitung Mitte der 60er Jahre erlangte das Thema Datenschutz erstmals
große Bedeutung. Mit den neuen Systemen konnten insbesondere staatliche Behörden so viele
personenbezogene Daten verwalten und verknüpfen wie nie zuvor. Zunehmend wurde bewußt, daß
der Umgang mit solchen Daten geregelt werden muß um einen Mißbrauch zu verhindern.
Infolgedessen wurden seit Ende der 70er Jahre in Deutschland sowohl für die öffentliche
Verwaltung als auch für den gewerblichen Bereich Datenschutzregeln geschaffen. Zentraler
Bezugspunkt ist dabei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – also das Recht, selbst über
die Verarbeitung seiner Daten bestimmen zu können. Allerdings hat sich der Datenverkehr in den
letzten Jahrzehnten weit über die nationalen Grenzen ausgeweitet. Dank technischer Entwicklungen
wie dem Internet können Daten heute ohne großen Aufwand weltweit ausgetauscht werden. Da
viele Daten auch in Ländern mit weniger strengen Datenschutzregeln verarbeitet werden, lassen
sich die deutschen Datenschutzbestimmungen kaum durchsetzen. Technische Entwicklungen wie
soziale Netzwerke oder elektronische Zahlungsmethoden schaffen zudem immer neue
Möglichkeiten zur Datensammlung. Der technische Fortschritt ist derart dynamisch, dass die
meisten gesetzlichen Regelungen der tatsächlichen Entwicklung stark hinterherhinken. Die folgende
Übersicht skizziert die Entwicklungen im Internet seit der Zeit des „Filesharing“:
1998 Bill Clinton unterzeichnet den DMCA „Digital Millennium Copyright Act“ - dieser enthält das „Safe
Harbor“ Abkommen. „Safe Harbor“ erlaubt den Export von Nutzerdaten in Länder mit niedrigeren Standards –
Europa nach USA – wenn die nutzenden Firmen sich auf die vereinbarten Standards verpflichten.
2013 Edward Snowden schildert, wie NSA auf Konzerndaten von Google und Facebook zugreift. Max Schrems
verklagt die irische Datenschutzbehörde. Der Fall geht zum Europäischen Gerichtshof.
2015 erklärt der Europäische Gerichtshof das derzeitige Datenschutzabkommen für Datentransfer zwischen der
EU und den USA für unzulässig und rechtswidrig.
2016 tritt als Nachfolger von „Safe Harbor“ der EU-US Privacy Shield in Kraft. Die EU-Datenschutzreform
führt zum Erlass der Datenschutz-Grundverordnung DS-GVO – welche 2016 beschlossen wurde und ab 2018
galt.
2020 wird der EU-US Privacy Shield vom EuGH durch das Schrems II – Urteil für ungültig erklärt.
Die DSGVO ...
...vereinheitlicht seit dem 25. Mai 2018 EU-weit die Datenschutzbestimmungen. Einher ging eine
Erhöhung der Bußgelder. Kernprinzip ist erneut die informationelle Selbstbestimmung. In Kapitel 2
Artikel 5 bis 11 der Verordnung 3 werden die grundlegenden Ziele ausformuliert: Rechtmäßigkeit,
Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz. Der Zweck der Datenerhebung muß festgelegt,
legitim und transparent sein. Es sollen nur die Daten erhoben werden, die auch zum gegebenen
Zweck angemessen und notwendig sind – also möglichst nur wenige. Personenbezogene Daten die
falsch sind müssen unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden. Die Dauer der Speicherung ist nur
so lange gestattet, wie es für die Verarbeitungszwecke notwendig ist. Die Sicherheit der
personenbezogenen Daten muß für die Zeit der Speicherung gewährleistet sein. Gibt man seine
Daten preis, soll man als „betroffene Person“ sowohl bestimmen können was gesammelt wird, als
auch wie und zu welchem Zweck die Daten gesammelt werden. Datenverarbeitende Stellen müssen
Transparenz gewähren und unterliegen der Informationspflicht. Eine Verarbeitung
personenbezogener Daten ist rechtmäßig, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung für die sie
betreffenden Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat. Die Verwendung von
Daten muß also möglichst ökonomisch, für die betroffenen Personen transparent und auf bestimmte
Zeiträume und Zwecke beschränkt erfolgen. Am besten und sichersten erfolgt die Einwilligung der
betroffenen Person durch eine schriftliche Erklärung, die keine anderen Sachverhalte betrifft
(Artikel 7 4 ). Mit 16 5 erlangen Jugendliche Ihre informationelle Selbstbestimmung. Vorher ist die
Verarbeitung von Daten nur rechtmäßig, wenn die Einwilligung durch den Träger der elterlichen
Verantwortung oder mit dessen Zustimmung erfolgt.
Dies sind die Rahmenbedingungen unter denen eine sinnvolle Datenverwendung durch die
Musikschule gegeben wäre. Was die DSGVO angeht gibt es bereits einige Beispiele anderer
Musikschulen, die entsprechende Paragraphen in ihre Satzungen und Informationsblätter in ihre
Anmeldebögen integriert haben. Damit ist die alltägliche Datennutzung der Musikschule abgedeckt;
hingegen bleibt die Frage offen wie mit Facebook, Instagram und Youtube umgegangen wird. Für
das rechtmäßige Interesse der besseren Darstellung der Musikschule wäre ein Auftritt
wünschenswert. Eine mögliche Antwort ist ein Auftritt ohne die Verwendung personenbezogener
Daten 6 , oder nur solcher von Lehrern die dazu eingewilligt haben. Wen müssen wir denn eigentlich
Fragen, bevor wir etwas auf Facebook oder Instagram posten dürfen? So lange keine
personenbezogenen Daten unserer Schutzbefohlenen im Spiel sind, hauptsächlich uns selbst. Finden
wir jemanden, der die Werte der Musikschule und wofür sie steht angemessen in die sozialen
Netzwerke transportieren kann? Ein positives Beispiel ist die Werbekampagne der Berliner
Verkehrsbetriebe 7 , deren Bahnen immer noch zu spät kommen - aber ihr Image hat sich durch
Auftritte in sozialen Netzwerken komplett gewandelt. Wandeln sich die BVG vom notwendigen
Übel zum liebevollen Begleiter, werden wir aus der Versenkung erst sichtbar – und es gäbe viele
positive Facetten die zu zeigen sich lohnt. Die Generation, die jetzt gerade als Eltern an der
Musikschule ankommt, nimmt wohl als Nachrichtenkanal tendenziell immer weniger die
Lokalzeitung als in zunehmendem Maß digitale Kanäle wahr. Hier ergibt sich die Gelegenheit,
unsere umfassende Kompetenz und Vernetzung zielgerichtet darzustellen.
Des Weiteren gibt es die gerade sehr moderne Möglichkeit der „kollaborativen Musikproduktion
über Distanz“ - gemeinsam online Musik machen. Auf Youtube findet sich ein Clip der Musikschule
Böblingen, der aus SchülerInnen-Clips zusammengeschnitten wurde. Solche Projekte lassen sich
mit einer zweckbestimmten Einwilligung der betroffenen Personen realisieren.
Grundsätzlich ist das Fotokopieren aus veröffentlichten Werken der Musik – also aus gekauften
Notenheften – nicht gestattet. Dies ist im Urheberrechtsgesetz im §53 Abs. 4 11 geregelt. Im Gesetz
wird der Vorgang „Vervielfältigung“ genannt. Absatz 4 Paragraph b Satz 3 erlaubt hingegen das
Abschreiben eines Werks.
Für die Zwecke der Wissenschaft oder des Unterrichts macht das Gesetz eine Ausnahme vom
Vervielfältigungsverbot: Im §60a Absatz 1 12 steht, daß „zur Veranschaulichung des Unterrichts und
der Lehre an Bildungseinrichtungen [...] zu nicht kommerziellen Zwecken bis zu 15 Prozent eines
veröffentlichten Werkes vervielfältigt, verbreitet, öffentlich zugänglich gemacht und in sonstiger
Weise öffentlich wiedergegeben werden“ darf. Dies gilt für Lehrende, SchülerInnen, Prüfer sowie
dritte; wenn der Unterricht davon profitiert. Wichtig ist im §60 wiederum der Nebensatz, dass
„sonstige Werke geringen Umfangs“ und vergriffene Werke vollständig genutzt (kopiert) werden
dürfen.
Es wird wohl davon ausgegangen, daß die Musikschulen als gewachsene Struktur des öffentlichen
Lebens für den Unterricht auf bekannte und veröffentlichte Werke zurückgreifen und sie zu diesem
Zweck bisweilen in Papierform vervielfältigen. So besteht zwischen dem Verband deutscher
Musikschulen und den Verwertungsgesellschaften ein Pauschalvertrag zu Kopierlizenzen. Das
Kopieren erfolgt dann „ohne besondere Genehmigung, aber gegen Zahlung einer Vergütung“.
2017 warb der VDM 14 für einen Pauschalvertrag zwischen VDM, GEMA und VG Musikedition mit
verbesserten Konditionen für öffentliche Musikschulen für das Kopieren von Noten. So sank die
Vergütung nach SchülerInnenzahl um fast die Hälfte. Wenn eine Musikschule diesen Deal
akzeptierte, durften nun „kleinere Werke wie Lieder, Pop-Songs oder vergleichbare abgeschlossene
Werke aus anderen Stilbereichen mit einer Spieldauer von max. etwa 5 Minuten sowie 20 Prozent
von Werken größeren Umfangs“ kopiert werden. Die Musikschulen, welche nicht an dem
Pauschalvertrag teilnehmen, sind angehalten die notwendigen Rechte an Werken einzeln bei der
GEMA zu erwerben.
Neben den im Unterricht hervorragend bewährten Printmedien hat sich im Internet eine Welt der
symbolischen Notationsformate und -programme entwickelt. Bei materiellen Gütern gibt es einen
Zusammenhang zwischen Knappheit und Wert, dieses Verhältnis ist bei immateriellen Produkten
wie Downloads nicht gegeben. Hier sind wenn nicht gegensätzliche, so völlig andere
Verteilungsmechanismen im Gang. Als ein Beispiel sei die „Petrucci Bibliothek“ oder IMSLP 15
genannt, in der sich über 160000 Autographen und Transkriptionen von etwa 20000 Komponisten
als gemeinfreie Musik herunterladen lassen. Mit Web 2.0 ist aus dem Internet ein kollaboratives,
interaktives Medium geworden – jeder Nutzer kann Inhalte und somit auch Noten hochladen; und
so ist unter Anderem MuseScore 16 entstanden. Die Software ist Lizenzfrei und auf alle Endgeräte
portabel. Der besondere Mehrwert entsteht durch die große Internet-Community, in der man nach
Bedarf auf riesige Mengen an Noten aller Instrumentengruppen zugreifen kann. Aber auch
SchülerInnen kann man eine MuseScore-Datei schicken, sozusagen als abspielbares Notenblatt.
Von der Software-Toolchain unabhängig bieten sich pdf-Dateien in einer Cloud als Möglichkeit der
Zusammenarbeit für Fachkollegen gleicher Instrumentengruppen.
Nach der Vorgabe durch die §§10 und 58 Abs. 1 Nr. 5 des NKomVG hat die Vertretung des
Landkreises Rotenburg Wümme als unsere „Mutter“ die Angelegenheiten der Kreismusikschule
über eine Satzung geregelt. Es folgen Auszüge aus dem Niedersächsischen
Kommunalverfassungsgesetz 17 im Hinblick auf die Eingliederung der Kreismusikschule in die
Verwaltung:
§ 1
Selbstverwaltung
(1) Die Gemeinden, die Samtgemeinden, die Landkreise und die Region Hannover (Kommunen) verwalten ihre
Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung mit dem Ziel, das Wohl ihrer
Einwohnerinnen und Einwohner zu fördern.
§ 4
Aufgabenerfüllung der Kommunen
1 Die
Kommunen [...] stellen in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für ihre Einwohnerinnen und
Einwohner erforderlichen sozialen, kulturellen, sportlichen und wirtschaftlichen öffentlichen Einrichtungen
bereit.
§ 140
Eigenbetriebe
(1) Die Kommune hat für ihre Eigenbetriebe Betriebssatzungen zu erlassen.
(2) Für die Eigenbetriebe sind Betriebsausschüsse zu bilden.
(3) 1 Die Vertretung kann den Betriebsausschüssen durch die Betriebssatzung bestimmte Angelegenheiten zur
eigenen Entscheidung übertragen. 2 Ist die Hauptverwaltungsbeamtin oder der Hauptverwaltungsbeamte der
Auffassung, dass ein Beschluss des Betriebsausschusses das Gesetz verletzt, die Befugnisse des Ausschusses
überschreitet oder das Wohl der Kommune gefährdet, so hat sie oder er eine Entscheidung des Hauptausschusses
herbeizuführen.
(4) Die laufenden Geschäfte des Eigenbetriebs führt die Betriebsleitung.
(5) Die Wirtschaftsführung und das Rechnungswesen der Eigenbetriebe richten sich im Übrigen nach den
erlassenen Verordnungsregelungen für Eigenbetriebe nach § 178 Abs. 1 Nr. 12.
Nicht nur verwaltungsmäßige Vorgänge, auch das kulturelle Leben findet immer mehr im digitalen
Raum statt. Im Sinne des §140 Satz 1 wäre dementsprechend vorzuschlagen, der Satzung einen
Paragraph zu gespeicherten Daten hinzuzufügen. Liest man weiter, entsteht fast eine
Notwendigkeit. Rechtmäßige Zwecke der Datenspeicherung die in der Satzung verankert werden
sollten sind etwa Gebührenerhebung und Bekanntmachungen. Des Weiteren fehlen Informationen
über Compliance zur DSGVO und Anschrift des Datenschutzbeauftragten. Manche Satzungen
erwähnen auch die Musikschullehrer als betroffene Personen.
Wie bereits oben erwähnt findet man auch bereits bei der Anmeldung für den Musikunterricht
bisweilen den DSGVO-Hinweis. Es kann nicht schaden, wenn wir unser Anmeldeformular
überprüfen und gegebenenfalls Aussehen, Zugänglichkeit und Vollständigkeit des Formulars
verbessern soweit möglich.
Möglicherweise kann darüber hinaus als berechtigtes Interesse der Musikschule gelten, über
besondere Ereignisse des schulischen Lebens zu berichten und die Tagespresse zu informieren - Im
Internet gilt eine optimierte Darstellung der Webseite als ein berechtigtes Interesse im Sinne von
Artikel 6 Absatz 1 lit. f der DSGVO. Optimal wäre eine Datenschutzerklärung, die dies als
„Datenverarbeitung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit“ ermöglicht. Hierbei nehmen sich viele
Schulen das Recht heraus, Bilder von schulischen oder gesellschaftlichen Veranstaltungen ohne
gesonderte Einwilligung zu veröffentlichen – Bilder von Einzelpersonen oder Kleingruppen
hingegen werden davon ausgenommen.
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